Wat will he dor denn, dor is doch nix los..….

„ Was will er denn dort, da ist doch nichts los…“ das bekam mein Vater von seinem Nachbarn zu hören, als er ihm erzählte, das ich auf Spitzbergen Urlaub mache. Und der muss es ja wissen, immerhin ist der alte Kapitän jahrelang da oben mit seinem Trawler zum fischen gewesen. Aber wahrscheinlich war er dort nie an Land, ich habe eine Menge erlebt und habe versucht es aufzuschreiben. Bestimmt habe ich noch etliches vergessen, die Tage waren lang und ständig gab es etwas zu entdecken.

Wer ein bisschen mitreisen möchte in diese nordische Welt, sollte sich etwas Zeit nehmen. Ich konnte mich nicht richtig kurz fassen, es war einfach zu viel los.

Viel Spaß bei meiner zweiten Reise in die arktischen Regionen von Svalbard.

Viele weitere Fotos dieser Expedition finden sich hier.

Wenn der Quicktimeplayer installiert ist, kann man hier einen Film sehen.

Es dauert ein bißchen bis er geladen ist, fang schon mal an zu lesen.

Freitag, 13. Juli 2007

Wieder einmal stehe ich in Oslo am Flughafen, wie schon im Jahr davor.

Wieder warte ich auf die Maschine um 22:00 Uhr die mich in die Mitternachtssonne nach Norden fliegen wird.

Während in Oslo die Sonne langsam versinkt und es merklich dunkler wird, hebt meine Maschine ab. Es wird wieder heller, über den Wolken scheint die Sonne und von nun an wird es in den kommenden Wochen keinen Sonnenuntergang geben. Ich reise nach Svalbard, Archipel im arktischen Sommer, Heimat von Eisbären und Walrossen. Nur etwa 2500 Menschen leben dort oben im Norden, dabei ist es 1,5mal so groß wie die Schweiz.

Allerdings beginnt die Reise mit ein paar Hindernissen, es ist immerhin Freitag der 13.

Heute ist der erste warme Tag, vorher hatte es lange geregnet und kalter Wind hatte noch kein Sommerurlaubsgefühl aufkommen lassen. Ausgerechnet heute wurde es nun warm.

Und so bin ich schon auf dem Weg zum Flughafen durchgeschwitzt. Eine Gruppe junger Leute war auf dem Weg ins Mittelmeer, bekleidet mit T-Shirt und kurzen Hosen. Mit Trekkingstiefel und Polartec-Kleidung hob ich mich von den Massen am Flughafen deutlich ab.

Das nächste Hindernis war mein Flugticket. Das muss man ja neuerdings aus einem Automaten holen. Buchungsnummer eingeben und schon geht’s los. Oder auch nicht. Bei mir ging gar nichts los. Diese Ticketmaschine weigerte sich mir ein Ticket auszudrucken. Für solche Fälle gibt es natürlich tatkräftige Unterstützung durch freundliche Damen in netten Uniformen. Erstmal vermuteten sie natürlich den Fehler bei meiner Eingabe in das Gerät. Daran lag es aber nicht.

Angeblich sei die Reise für mich gebucht, aber das Reisebüro hätte wohl vergessen mir ein Ticket auszustellen. Hab ich nicht verstanden, aber das Reisebüro war ja noch erreichbar. Denen war das auch nicht klar, und ganz plötzlich konnte mir ein Ticket ausgestellt werden.

Also kein Grund zur Panik, ich hatte jetzt ein Ticket von Hamburg via Oslo nach Longyearbyen. Und in diesem Moment gaben sie auch schon durch, das die Maschine 30 Minuten Verspätung hat. Zeit genug um noch einen Kaffee zu bestellen, die Wartezeit lässt sich schon irgendwie überbrücken. Tatsächlich ging es mit 45 Minuten Verspätung dann los.

Der Himmel war wolkenverhangen, von Dänemark war nichts zu sehen. Bald waren wir in Oslo.

Aufgrund meiner Erfahrungen vom vorigen Jahr hab ich diesmal gleich gefragt ob das Gepäck durchgecheckt wird. Alles klar: Final Destination Longyearbyen. Das haben sie dann sogar durch Lautsprecher durchgegeben, damit alle beruhigt sind. Gut das ich gefragt hatte.  Während der Lautsprecher noch nicht verklungen ist, sehe ich meinen Seesack auf dem Gepäckband an mir vorbeifahren.

Das darf doch nicht wahr sein.

Als wenn ich das geahnt hätte. Gut dass ich zur Sicherheit nachgeschaut habe, sonst hätte ich in Spitzbergen nur mit meiner Fotoausrüstung gestanden. Ich war ein bisschen sauer, irgendwie gibt es in Norwegen immer Probleme. Also hab ich mir einen Gepäckwagen besorgt und bin dann mit dem ganzen Gepäck richtig nach Norwegen eingereist. Und dann bin ich nach Longyearbyen wieder ausgereist. Die Abflüge waren eine Etage höher und mit dem Wagen und dem ganzen Gepäck passte ich gerade in so einen kleinen Fahrstuhl hinein. Mir wurde schon wieder warm, aber nachdem ich das Gepäck aufgegeben hatte, durfte ich mich fürs erneute Einchecken ja wieder ausziehen. Komplette Handgepäckkontrolle, alle Taschen leeren und hoffen das niemand den Fotorucksack bemängelt. Immerhin ist er mit 14 kg etwas schwerer als das normale Handgepäck. Es gibt aber keine Probleme und ich fliege mit der Sonne in den hohen Norden.

Samstag 14. Juli

Über den Wolken nähern wir uns Svalbard, nur die Spitzen einiger Berge sind zu sehen. Ich habe keine Ahnung wo wir sind, die Wolkenschicht ist dicht und gibt keinen Blick auf das Land frei. Erst nachdem wir im Landeanflug durch die Wolken gesunken sind, kann ich Berge, Gletscher und Täler erkennen. Plötzlich sehe ich an der linken Seite Longyearbyen, wir sind also über das Adventdalen hereingekommen, fliegen den Adventfjord entlang und landen kurz darauf. Es ist 00:50 Uhr, taghell, trocken, windstill und das Thermometer am Flughafen zeigt 5°C. Alles läuft reibungslos, das Gepäck ist schnell ausgeladen, der Bus steht vor der Tür, ich bin zügig eingecheckt im Guesthouse und zu meinem Zimmer ist es nur ein kurzer Weg auf die andere Straßenseite.

Jetzt klappt alles reibungslos, es ist ja auch Samstag, der 14. Juli.

Ich packe ein bisschen was aus, mache mich frisch und gegen 02:30 Uhr lege ich mich Schlafen.

Nach einem guten norwegischen Frühstück, stehe ich vor der Tür dieser alten Bergarbeiterkantine und warte auf den Bus der mich zu meinem ersten Ausflug abholen soll.

Das Wetter ist gut. Kalt und trocken, etwas sonnig, gute Sicht. Von Nybyen habe ich einen guten Blick die Straße nach Longyearbyen hinab. Ein rotes Häglund Kettenfahrzeug mit Anhänger kommt die Straße herauf. Das ist wohl doch mehr für den Winterbetrieb, denke ich, als dies Fahrzeug neben mir hält. Der will mich abholen.

Nachdem ich es mir etwas bequem gemacht habe rumpeln wir auch schon los, es geht bergab und danach hoch zum Spitzbergen Hotel, anschließend fahren wir noch zum Radisson. Wir sammeln etliche Leute ein, dann geht es zum Büro des Veranstalters. Dort hängt eine ganze Kammer voller dicker, winddichter gefütterter Anzüge in denen wir uns kaum rühren können. Nur mit Mühe können wir den Häglund wieder besteigen um zum Hafen zu fahren. Dort geht es dann in ein Powerspeed Gummiboot. Das ist ja ganz witzig, wenn er langsam fährt, aber wenn es schneller wird haut es einem langsam die Bandscheiben raus. Das muss ich nicht noch einmal machen, da gibt es bessere Ausflugsprogramme.

Am Vogelfelsen und bei Grumantbyen liegen wir weit vor der Küste, das ist nicht besonders ergiebig. Danach brettern wir über den Adventfjord nach Hiorthamm und ich muss mich mit beiden Händen festhalten um nicht aus dem Boot katapultiert zu werden. In Hiorthamm wäre ich gern noch etwas länger geblieben, dort gehen wir an Land, haben aber nicht viel Zeit. Immerhin wurde dort im ehemaligen Advent-City auch Kohle abgebaut. Es liegt direkt gegenüber von Longyearbyen, wir brauchen also nur über den Fjord zurück. Nachdem ich aus diesem warmen Anzug heraus bin, gehe ich Richtung Adventdalen.

Es ist gerade erst früher Nachmittag, erst in zwei Tagen wird mein Segeltörn beginnen. Wir wollen Svalbard umrunden. Mir bleibt noch Zeit für die Erkundung der näheren Umgebung. Heute gehe ich in das Adventdalen, will einen Blick ins Land werfen. Bisher war ich immer am Fjord rumgelaufen, immer in der Nähe des Wassers. Entlang des Weges brüten die Seeschwalben, sowie ich stehen bleibe attackieren sie mich und wollen mich vertreiben. Erst in der Nähe des Villmarksenters bei den Schlittenhunden lässt das nach. Eine Zeitlang schaue ich den Schlittenhunden zu, sie sind wohl gerade von einer Tour zurückgekommen. Ich führe ein kurzes Gespräch und erfahre, dass sie Fahrten mit Wagen machen. Da ist für den nächsten Tag noch was frei. Ich bin begeistert, das ist wirklich mal was anderes und ich komme weiter ins Adventdalen hinein. Denn kurz hinter dem Zwinger der Schlittenhunde ist Schluss, dort steht das Schild welches für ganz Svalbard vor Eisbären warnt. Der Hundeführer hat mich noch gewarnt, zurzeit ist ein Bär auf der anderen Seite des Tales, aber sehen kann ich ihn nicht.

Dafür brüten direkt neben den Hunden ein paar Eiderenten. Aus dem berühmten Daunen haben sie ein Nest gebaut und auf einem kleinen Teich in der Nähe sind schon ein paar Küken beim herumschwimmen zu beobachten.

Auf dem Rückweg besuche ich das neue Svalbardmuseum, im vergangenen Jahr war es noch nicht geöffnet.  Es ist nett gemacht, aber irgendwie will ich keine präparierten Tiere sehen, viel lieber sind sie mir lebend in der Natur. Ich muss auch noch meinen Ausflug für Sonntag buchen, aber es ist alles geschlossen. Kein Veranstalter hat geöffnet, kurz vor Feierabend gelingt mir noch eine Buchung übers Internet-Terminal der Tourist Information. Wenn alles geklappt hat werde ich also morgen mit den Schlittenhunden ins Adventdalen fahren.

Ich lasse den Tag jetzt langsam ausklingen, machen mir einen Kaffee in der Teeküche meiner Unterkunft. Es ist aber noch früh am Abend, deswegen ziehe ich dann doch noch mal los, mache noch ein paar Makroaufnahmen von Blumen, treffe noch ein paar Rentiere im Ort und als ich spät am Abend wieder zurück bin ist es auch schon bald 02:00 Uhr.

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Sonntag 15. Juli 2007

Schon morgens ist es warm und sonnig. Der Himmel ist blau, aber leichter Wind macht es angenehm. Die Hunde sind schon aufgeregt und können es kaum erwarten. 12 Hunde werden angeschirrt und dann kann es losgehen. Sie können es kaum erwarten und nach einem kurzen Augenblick sind wir auf dem richtigen Weg und kommen gut voran. Auf dem Wagen sitzen 12 Personen und für mich ist das eine beachtliche Leistung der Hunde. Sie können aber wohl noch mehr ziehen wenn es notwendig ist. An einem Süßwassertümpel gibt es einen kleinen Stopp, jeder Hund bekommt seine Schüssel mit ein bisschen Wasser. Einige trinken etwas Wasser, andere Hunde verschütten es und wälzen sich in der entstehenden Pfütze. Das wiederholen sie bei späteren Stopps. Nach 10 km erreichen wir das Barentz Haus, die Nachbildung einer Hütte die Willem Barents für die Überwinterung auf Nowaja Semlja gebaut hatte. Der Schiffszimmermann hatte ihnen eine Zeichnung gemacht wie sie aus Decksplanken und Treibholz eine Hütte bauen sollten. Er starb kurz darauf und so mussten die Seeleute die Hütte nach der Zeichnung errichten. Dieses Haus gehört heute zum Villmarksenter, es steht mitten im weiten Tal. Der Blick geht weit ins Tal hinein, oder zur Gruve 7, der einzigen noch aktiven Kohlegrube in Longyearbyen. Die Kohle die dort gefördert wird, wird fast komplett vom Kraftwerk in Longyearbyen verbraucht. Nach einem Kaffee und ein paar Streicheleinheiten für die Hunde geht es zurück und ein schöner Ausflug findet sein Ende.

Natürlich wäre das mit Schlitten und Schnee viel schöner gewesen, aber es ist nun einmal Sommer und auch auf Rädern war es sehr beeindruckend.

Es ist jetzt früher Nachmittag, ich will mal Ausschau halten, ob die NOORDERLICHT inzwischen schon eingelaufen ist. Oben am Berg, bei der Station der Förderkörbe hat man eine gute Aussicht auf den Fjord und den Ort. Von dort werde ich die Ankunft gut sehen können. Weit hinten im Isfjord sehe ich sie bald herankommen, eine ganze Zeitlang schaue ich zu, wie sie näher kommt und schließlich am Bykaia anlegt.

Morgen gehe ich an Bord und schon heute werde ich etwas unruhig. Ich genieße noch ein wenig den Ausblick auf den Fjord im besten Licht, dann gehe ich ein paar Meter weiter zur Kirche. Dort soll es einen Raum der Begegnung geben und schon aus der Entfernung rieche ich frischen Waffeln. Das ist natürlich genau das richtige. Frischer Kaffee und eine warme Waffel, ein gemütlicher Raum, ein paar nette Gespräche und dann noch eine Waffel.

Bevor ich denen die ganzen leckeren Waffeln wegesse bin ich lieber wieder gegangen.

Fotos von Vögeln und Blumen und dann treibt es mich wieder zum Hafen. Der Himmel ist immer noch strahlend blau, und das Licht kommt jetzt aus Süd-West. Gutes Licht um ein paar Fotos der Schiffe zu machen, im Hintergrund die Berge von Hiorthamm.

Die NOORDERLICHT dreht sich noch etwas am Anker und präsentiert sich von ihrer besten Seite. Während sie an Bord der NOORDERLICHT bei ihrem Abschlussdinner sitzen, gehe ich langsam zurück zum Guesthouse.

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Montag 16. Juli 2007

Es ist sonnig und sehr warm. Logisch, es ist wohl immer warm wenn ich meinen Seesack durch die Gegend schleppen muss. Ich habe in Ruhe gefrühstückt, habe noch einmal das norwegische Frühstücksbuffet mit Fisch und Ziegenkäse genossen. Jetzt muss alles wieder im Seesack verstaut werden, denn heute geht es aufs Schiff. Aber erst heute Nachmittag und so stelle ich den Seesack im Guesthouse ab und gehe noch ein bisschen in den Ort.

Es ist rappeldicke voll. Tausend Leute kommen mir entgegen, unzählige Busse fahren durch die Stadt. Für ein paar Stunden hat sich die Einwohnerzahl von Longyearbyen  wohl verdoppelt. Ein Kreuzfahrtschiff liegt im Hafen und hat seine Passagiere ausgespuckt. Und es kommen immer noch mehr Menschen von Bord. Ein paar Photos habe ich gemacht, einen Gang zum Hafen. Ganz klein ist die NOORDERLICHT im Verhältnis zu diesem Schiff. Sie haben zwar eine schöne Wasserrutsche an Bord, aber ich fahre lieber mit dem kleinen Segler.

Oben bei der Kirche ist es etwas ruhiger, hier genieße ich den Blick über den Ort, dann mache ich mich langsam auf den Weg, hole mein Gepäck und fahre zum Hafen.

Die NOORDERLICHT liegt nicht am Bykaia, dort ist immer noch das Kreuzfahrtschiff, aber ich sehe sie am Gamlekaia, versteckt hinter der MULTANOVSKY. Mit etwas Verspätung legen wir ab, kein bekanntes Gesicht in der Besatzung. Aber das macht nichts, schließlich will ich etwas erleben und keine Bekannten treffen.

Unsere Fahrt geht nach Trygghamna, die Sonne blendet und der Himmel ist strahlend blau.

Ein paar Fotografen sind an Bord, erste Rentiere werden bereits für Eisbären gehalten.  Das ist wohl das arktische Jagdfieber.

Um 22:00 Uhr gibt es was zu Essen, wir sind spät dran, aber das wird sich wohl alles einpendeln.

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Dienstag 17. Juli 2007

Heute ist unser erster Landausflug. Das Wetter ist gut und gleich nach dem Frühstück werden wir eingewiesen. Es ist unsere erste Fahrt im Gummiboot, für die meisten Mitreisenden noch ungewohnt und das erste Abenteuer auf dieser Reise. Aber da bin ich ja schon erfahrener Arktisreisender, ist für mich nichts Neues. Nach einiger Zeit sind wir alle an Land, jeder weiß jetzt warum er die Gummistiefel braucht. Beim Anlanden am Ufer muss man nämlich ins Wasser steigen. Und manchmal ist es auch etwas tiefer. Wir wandern entlang der Küstenlinie, besonders weit ist es nicht. Der Blick auf den Alkhornet ist beeindruckend.

Es sind ein paar Fotografen an Bord und sie schleppen sogar Stative mit an Land. Unterwegs finden wir ein paar Walwirbel, vom Frost geöffnete Gräber, Hüttenreste, blühende Blumen und Vögel. Dazu eine besondere Landschaft mit Resten von Schnee und Eis in der Rentiere ihre karge Nahrung suchen. Sie schwanken zwischen Scheu und Neugier, kommen näher bis sie der Mut wieder verlässt. Es ist eine friedliche Welt im besten Sonnenschein. Eissturmvögel segeln entlang der Küstenlinie und die Fotografen sind in ihrem Element. Wir kommen nur langsam voran, die Gruppe lernt sich kennen und genießt das herrliche Wetter. Unser Guide kann nun einschätzen was er von uns in den nächsten Tagen erwarten kann. Er ist Geologe, kommt aus Neuseeland. Eigentlich forscht er in der Antarktis rum, aber während der Urlaubszeit arbeitet er als Führer in der Arktis. Ist ja nun auch dunkel in der Antarktis, Polarnacht am Südpol. Eine gute Idee von ihm, wir haben davon profitiert. Unermüdlich hat er unsere Fragen beantwortet und das waren doch eine ganze Menge. Die Interessen sind sehr unterschiedlich, einige Reisemitglieder wollen Vögel beobachten, andere suchen Pflanzen und kriechen auf der Erde rum. Natürlich kommt auch die Geschichte des Archipels nicht zu kurz und Fotografen interessieren sich einfach für alles. Schon bei diesem ersten kurzen Ausflug haben sich die unterschiedlichen Interessen aufgezeigt und wir wissen jetzt, wer die Fachleute zu den unterschiedlichen Themengebieten sind. Die spannende Geologie hat Dan, unser Guide so nebenbei auch noch erwähnt.

Ich glaube, wir haben eine gute Gruppe an Bord.

Nun wird es aber Zeit wieder aufs Schiff zu gehen, es ist Lunchzeit und Svalbard ist groß. Wir wollen ja noch ein bisschen was erleben, ein paar Seemeilen haben wir noch vor uns.  Uns zieht es nach Norden, wir verlassen den Isfjorden. Wird Zeit ein Segel zu setzen, ein bisschen den Wind ausnutzen. Es hat ein bisschen gedauert bis wir das Segel hoch hatten, wir sind noch ungeübt. Aber das hat ja niemand mitbekommen und wir wollen ja auch keine Regatta gewinnen. Ein bisschen Wind fängt sich im Segel, das sieht schön aus, aber es bringt uns nicht voran. Wir brauchen den Schiffsdiesel und mit ruhigem, monotonem Tuckern der Maschine laufen wir in den Forlandsundet ein. Auf der Steuerbordseite das Oscar-II-Land und Backbord das Prins-Karl-Forland. An der Südspitze gibt es ein paar Berge. Dann zieht sich ein flacher breiter Strandstreifen ohne Erhebung ein paar Kilometer nach Norden bis Poolepynten. Hier beginnt jetzt das Bergland.

Wir entdecken einige Walrosse im Wasser, steuern das Schiff in Ufernähe. Auch am Land sind welche zu entdecken. Wir haben Glück, es sind prächtige Tiere.

Erstmal werden wir Abendessen, unsere Köchin muss dann nicht warten und die Besatzung des kleinen französischen Seglers kommt uns auch nicht in die Quere. Sie sind wohl unserer Route gefolgt und an Land gegangen. Eine Menge Tiere sind in kleineren Gruppen im Wasser unterwegs, blasen die Atemluft aus dass es aussieht als seien kleine Wale unterwegs. Das Wasser ist ihr Element, sie zeigen sich sehr beweglich, obwohl es mächtige Tiere sind. In der Brucebukta, einige Meter weiter, liegt noch eine Gruppe am Strand. Es sind über 20 Tiere die sich uns in ihrer ganzen Grösse zeigen. Das Fotolicht ist gut, warme, tiefstehende Sonne.

Und die Walrosse geben uns eine perfekte Show. Ein bisschen dösen, leichte Fluchtbewegungen, sie wälzen sich zum Wasser und kühlen sich etwas ab. Von den Wellen der Brandung lassen sie sich ein Stück den Strand hinauftragen,  oder sie schwimmen ein bisschen herum. Es macht Spaß ihnen zuzuschauen, wie sie ihre Massen bewegen, wie sie zum Strand robben, wie sie sich rollen oder auch gleiten. Im Wasser sind sie wieder in ihrem Element, auch das demonstrieren sie eindrucksvoll. Nach einiger Zeit müssen wir wieder zurück zu Schiff, mit dem Schlauchboot vorbei an schwimmenden Walrossen. Sie nehmen von uns keine Notiz, wir haben sie wohl nicht weiter beeindruckt.

Unsere Fahrt geht weiter in den Kongsfjord, morgen früh wollen wir dort ankern.

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Mittwoch 18. Juli 2007

Es ist ungemütlich und kalt. Der Wind wechselt und es sind nur 3°C. Leichter Regen setzt ein.

Schon in der Nacht wurde es etwas rauher als wir in den Forlandsundet verlassen hatten. Wir waren in der offenen See und sie hat uns nicht sehr freundlich behandelt. Das Schiff stampfte und rollte, irgendwann hat es oben gescheppert. Sind wohl ein paar Tassen bei draufgegangen. Ich habe geschlafen wie eine Maus, nix gemerkt. Andere haben schon nach den Sicherheitsbrettern für ihre Kojen geschaut. Das war aber wohl noch nicht nötig. Als mein Wecker klingelte, lagen wir ruhig vor Anker.

Von Deck aus habe ich einen schönen Blick zu den Überresten der Northern Exploration  Company auf der Blomstrandhalvoya. Ny-London wurde dieser Ort am Nordufer des Kongsfjordes genannt. Ernest Mansfield hatte dort 1906 Marmor entdeckt. Eine ganze Insel aus reinem Marmor, so hatte er seine Entdeckung beschrieben. Damit hatte er Investoren gesucht um diesen Marmor in der Arktis abzubauen. Es war die Zeit des Goldrausches, überall auf der Welt wurde nach Gold, Öl und anderen wertvollen Stoffen in der Erde gebuddelt. Überall waren Glücksritter und Abenteurer unterwegs um ihr Glück zu machen. 1911 hatte Mansfield das Geld zusammen, die Northern Exploration Company wurde gegründet und eine Menge Maschinen wurden nach Svalbard verschifft, Dampfmaschinen und Eisenbahnen. Krananlagen und Häuser wurden errichtet, Lagerräume, eine Werkstatt und eine Schmiede. Ungefähr 70 Männer hat er dort oben im Norden beschäftigt. Aber der Marmor hatte eine schlechte Qualität, der Frost hatte ihn wohl zerstört. Eine erste Lieferung nach London zerbröselte während der Überfahrt, sie haben es über Bord geworfen. Marmor aus Spitzbergen hat London nie erreicht. Dieser arktische Marmor war nicht zu gebrauchen und 1920 war das Abenteuer beendet.

In den 50er Jahren hat man einige Häuser auf die andere Seite des Fjordes gebracht. Dort, in Ny-Alesund wurden sie wieder aufgebaut. Sie stehen noch heute dort, gleich vorne links. Es sind die so genannten London-Häuser. Zurückgeblieben sind zwei Häuser vom Camp Mansfield, Schienenanlagen, Verladekräne, Fundamente von verschiedenen Häusern und Reste von Dampfmaschinen. Überreste einer optimistischen Zeit. Mansfield war kein Schwindler, er hat den Leuten hier im Norden Arbeit gegeben. Aber er war ein Träumer. Ein begeisterungsfähiger Mensch der in London aus dieser nördlichen Region berichtet hat und Investoren gefunden hat. Es war die Zeit des Aufbruchs.

Heute erinnern die Überreste von Ny-London daran. Leider ist kein schönes Licht, der Rost der alten Maschinen will nicht richtig leuchten. Aber es gibt hier so viel Details zu sehen, auch wenn ich schon einmal dort gewesen bin, ist es wieder interessant. Diesmal entdecke ich wieder neue Motive. Ich habe andere Objektive mitgenommen als im vergangenen Jahr, das gibt schon einen ganz anderen Blick beim fotografieren. Die Zeit reicht kaum aus, unser Weg geht weiter.

Wir suchen uns einen Hügel mit Blick über den Kongsfjord. Wir suchen uns einen bequemen Platz und dann genießen wir fünf Minuten die Stille. Niemand hantiert herum, alle halten für einen Moment inne.

In der Ferne grollt ein Gletscher, wir hören den Wind. Mehr hören wir nicht, es ist ruhig in der Arktis. Lautlos gleiten Vögel durch die Lüfte, Eis treibt auf dem Wasser. Diese Stille ist beeindruckend, aber schon bald klicken wieder Kameras, sind Schritte zu hören und Menschen unterhalten sich.

Am Ostufer werden wir abgeholt. Größere Eisstücke schwimmen dort herum und ich stelle mir vor wie es wohl im Packeis sein wird. Aber das ist ja noch in weiter Ferne. Erst einmal geht es jetzt zum Vogelfelsen. Im Ossian Sarsfjellet gibt es mehrere zugängliche Brutkolonien. Es sind ein paar Meilen Richtung Osten, Zeit genug für eine Mahlzeit zwischendurch. Allerdings heißt das auch mit vollem Magen bergauf zu steigen. Ein paar Rentiere verschaffen uns eine kleine Pause. Sie nehmen aber kaum Notiz von uns. Nur mal kurz aufgeschaut und dann lassen sie uns in 10m Abstand passieren und weiden dabei weiter.

Unser Aufstieg beschert uns einen weiten Blick über den Kongsfjord und nach einem kleinen Abstieg in den Felsen, stehen wir den Vögeln gegenüber. Die Kittywakes präsentieren bereits stolz ihre geschlüpften Küken. Bei den Lummen sind bereits fast ausgewachsene Jungvögel zu beobachten, aber einige Lummen sind auch noch am brüten oder wärmen frisch geschlüpfte Jungvögel. Der Aufstieg hat sich gelohnt, auf dem Schiff werden wir anschließend mit frischem Kaffee und frisch gebackenem Kuchen erwartet. Wir haben jetzt Kurs auf den Kongsvegen und schon bald treiben erste Eisbrocken am Schiff vorbei. Bartrobben auf dem Eis schauen uns überrascht an, treiben vorbei und sind bald weit entfernt. Ein breiter Gürtel mit Eisstückchen treibt vom Gletscher in den Fjord. Wir hatten schon einige Abbrüche aus der Ferne gehört, größere Eisstücke treiben uns entgegen. Wir kommen immer näher an den Gletscher heran, es knackt und kracht immer lauter, und bald rauscht ein großer Abbruch vor unseren Augen ins Wasser.

Ich bin gerade oben im Mast als die Welle quer auf das Schiff zurollt, da musste ich mich mal etwas besser festhalten. Es ist übrigens lausig kalt da oben.

Schade dass wir nur bedeckten Himmel haben und das Sonnenlicht den Gletscher nicht erleuchtet. Das hätte das Gletscherblau richtig zum Leuchten gebracht.

Während die NOORDERLICHT Kurs auf Ny-Alesund nimmt, sitze ich auf dem Klüverbaum.

Von hier vorn mache ich noch ein paar Aufnahmen mit dem Gletscher im Hintergrund. Mit dem Weitwinkel bekomme ich viel Schiff aufs Bild, im Hintergrund den Gletscher, das ist wirklich eine interessante Perspektive.

Als wir Ny-Alesund erreichen ist wohl gerade Rush-Hour. Plötzlich kommen drei Schiffe auf einmal. Das alte Hurtigroutenschiff NORDSTJERNEN kommt nur für ein paar Stunden, sie werden bald wieder weiterfahren. Kurz danach läuft die OOSTERSCHELDE in den Kongsfjord ein. Die OOSTERSCHELDE ist ein Dreimast-Topsegelschoner und sie kommt mit allen Segeln in den Fjord. Sie macht am Kai fest und wir legen uns daneben. Während wir das Schiff festmachen erkenne ich an Bord der OOSTERSCHELDE plötzlich bekannte Gesichter. Margrit war im letzten Jahr auf der NOORDERLICHT, aber auch Astrid erkenne ich. Sie war 1st Maate auf der NOORDERLICHT und hat jetzt auf der OOSTERSCHELDE angeheuert. Margrit war natürlich wieder mit Bernd unterwegs und sie waren genauso überrascht wie ich. Es ist die letzte Siedlung vorm Nordpol und dann trifft man hier oben Bekannte. Da haben einige aus meiner Reisegruppe ganz schön geschaut, dass ich hier oben Leute kenne. Ist aber auch wirklich ungewöhnlich. Sie sind gerade von Kiel aus heraufgekommen. Wahrscheinlich habe ich sie vor ein paar Wochen in Norwegen schon gesehen als das Schiff an der Südküste segelte.

Es ist etwa 22:00 Uhr und es wird Zeit noch mal in die Stadt zu schauen. Wegen der vielen Passagiere der NORDSTJERNEN ist der Laden geöffnet, ist aber rappelvoll. Draußen ist es lausig kalt, der Wind macht es ungemütlich. Im nördlichsten Postamt der Welt hole ich mir einen Stempel in meinen Pass und gehe dann langsam zurück zum Schiff, vorbei an der nördlichsten Kneipe der Welt. Es ist wohl voll gewesen, es stehen viele Paar Schuhe draußen vor der Tür. Alle Fenster sind verdunkelt, irgendwie passt Kneipe und Tageslicht im Polarsommer wohl nicht zusammen.

Wir werden morgen noch Zeit genug haben uns die Stadt anzuschauen. Sie ist ja nicht besonders groß und vielleicht ist das Wetter dann ja etwas besser.

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Donnerstag 19. Juli 2007

Die OOSTERSCHELDE ist bereits früh am Morgen weitergefahren, wir wollen noch in die Stadt zum Ankerplatz der Luftschiffe von Amundsen und Nobile. Es ist ein wenig außerhalb des Ortes und wir müssen wieder bewaffnet sein. Hier tauchen öfters mal Bären auf, sie werden wohl auch vom Futter für die Schlittenhunde angelockt. Hier draußen mit einem wundervollen Blick über den Fjord, hören wir die Geschichte von den Männern die von hier aus gestartet waren um mit einem Luftschiff den Nordpol zu erreichen. Von hier aus hat es Nobile später noch einmal versucht, aber dieser Versuch endete tragisch. Sein Luftschiff ITALIA ging verloren. Während Nobile gerettet wurde, verunglückte Amundsen bei den Rettungsversuchen. Er wurde nie gefunden.

Die Geschichte wurde vor unseren Augen lebendig und für einen kleinen Moment war es als wenn wir zum Team gehörten.

Inzwischen ist es ruhig geworden in Ny-Alesund, wir sind die einzigen Besucher in diesem Ort. Uns bleibt noch etwas Zeit für einen Rundgang. Am blauen Haus, gleich hinter dem Amundsen Denkmal, führen wir ein kurzes Gespräch mit Mitarbeitern der Koldewey Station vom Alfred-Wegner-Institut (AWI). Gänse mit ihren Küken nutzen die Ruhe zwischen den Kreuzfahrtschiffen, um in der Stadt herumzuspazieren. Auf der anderen Straßenseite spielen junge Polarfüchse. Anscheinend vertragen sie sich, die Füchse wohnen unter den London-Häusern und haben gelernt, dass sie von den Menschen nichts zu fürchten haben. Auch die Gänse fühlen sich durch die Menschen nicht besonders bedroht, mit den Füchsen kommen sie wohl klar. Es ist wirklich ein friedliches Bild.

Um 11:00 Uhr laufen wir wieder aus. Angekündigte starke Winde sind ausgeblieben, es ist nicht schlimm geworden. Zwar ist es etwas unruhig, erste Mitreisende suchen schon ihre Reisepillen oder vertrauen auf Magnetarmbänder. Es ist ungemütlich und kalt auf dem Deck und zu sehen gibt es auch nicht viel. Bis wir den Sjettebreen passieren.

Plötzlich gibt es Bärenalarm, die Glocke läutet. Es entsteht Hektik an Bord, das will sich natürlich niemand entgehen lassen. Während die NOORDERLICHT langsamer wird und dichter ans Ufer fährt, zählen wir insgesamt fünf Eisbären. Wir sind in unbekanntem Gewässer, in Ufernähe können immer Felsen unter dem Wasser liegen, deswegen navigiert der Steuermann das Boot sehr vorsichtig.

Während wir einen Bären nach kurzer Zeit aus den Augen verlieren, können wir den anderen lange folgen. Eine Bärin mit zwei jungen Bären klettert in den Bergen herum. Sie suchen wohl Vogelnester, die kleinen Bären werden angelernt. Sie sind wahrscheinlich Anfang des Jahres geboren, etwa ein halbes Jahr alt und recht unbekümmert. In kleineren Schneefeldern spielen sie herum und rutschen den Berg herab. Sie ahnen nicht dass sie verfolgt werden. Ein kräftiger Bär ist ihnen auf der Spur. Er hat Witterung aufgenommen und folgt genau ihrem Weg. So ein junger Bär wäre eine gute Mahlzeit für ihn. Seine Schritte werden immer schneller und der Abstand verringert sich. Der Wind kommt ihm entgegen, die Bärin kann ihn nicht wittern. Erst spät entdeckt sie ihn und greift ihn sofort an um ihre Jungen zu schützen.

Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Während sie nun ihre Jungen zur Eile antreibt sitzt er etwas überrascht zwischen den Felsen und es dauert einen Moment bis er die Verfolgung aufnimmt und versucht die Bärin mit den Jungen einzuholen. Die sieht sich in die Enge getrieben und dirigiert ihre Jungen ins Wasser. Sie bleiben eng zusammen und versuchen schwimmend zu entkommen. Aber auch im Wasser werden sie verfolgt, der Bär versucht sie einzuholen, immer wieder hält er inne und wittert.

Die Bärin schwimmt ans Ufer und gemeinsam mit den Jungen gewinnt sie dort mit großen, schnellen Schritten einen guten Vorsprung. Als der Verfolger an Land geht, gleiten die gehetzten Bären an einer entfernten Stelle erneut ins Wasser. Die Bärin hält die kleine Familie eng zusammen und zwischendurch treibt sie den Kleinen auch noch ein paar Flausen aus. Die haben den Ernst der Lage wohl noch nicht ganz begriffen und wollen herumalbern. Ständig schaut sie zurück, der Verfolger ist ihr zwar an Land gefolgt, aber dort muss er die Witterung verloren haben. Wir sehen ihn bald nicht mehr und auch die kleine Gruppe entschwindet in der Ferne.

Wir sind an der Einfahrt zum Magdalenenfjord angekommen, hier suchen wir einen Ankerplatz. Ein kleiner Abendspaziergang rundet den Tag ab, ein Blick auf den Gullybreen, der spät am Abend von der Sonne angestrahlt wird. Ein schöner Anblick als Abschluss eines langen Tages. Als wir wieder an Bord sind ist es bereits 23:30 Uhr, die Zeit vergeht wie im Flug.

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Freitag 20. Juli 2007

Gerade klingelt mein Wecker, als ich höre wie der Anker gelichtet wird. Es ist 06:45 Uhr als sich die NOORDERLICHT auf den Weg macht. Eisstücke der Gletscher begleiten uns. Während sie weiter in das offene Meer treiben, drehen wir nach Nord und sind bald an der Einfahrt zum Sorgattet. Ich bin gerade angezogen als ich höre wie der Motor gedrosselt wird. Dann geht auch schon unsere Glocke. Jacke an, Handschuhe und Mütze gegriffen und dann mit dem Fotorucksack an Deck.
Wir haben gerade den Magdalenenfjord verlassen und sind in den Sorgattet eingelaufen. Am Ufer der Danskoya ist ein großer kräftiger Eisbär zu sehen. Ein paar Mal wittert er uns, setzt sich in die Felsen und lauscht zu uns herüber, dann trabt er weiter. Inzwischen sind alle wach geworden und vom Deck aus beobachteten wir diesen stattlichen Bären. Ob es der Verfolger vom vorigen Abend ist? Es ist ja nicht sehr weit entfernt. Ein schönes Erlebnis, diesen Bären vollkommen ungestört in freier Wildbahn zu beobachten, trotzdem wird es jetzt Zeit fürs Frühstück.
Wir lassen ihn von dannen ziehen und setzen unsere Fahrt weiter fort. Mit einiger Verspätung gibt es dann endlich den ersehnten Frühstückskaffee.

Wir ankern kurz darauf am Nordufer der Danskoya in Virgohamna. Der Eisbär ist am anderen Ende der Insel und deswegen können wir hier an Land gehen. Hier ist eigentlich alles verfallen und zusammengebrochen. Trapper, Seeleute und wohl auch Touristen haben inzwischen das mitgenommen was sie gebrauchen konnten. Die Überreste sind jetzt strengstens geschützt und das Betreten dieses Platzes ist nur mit einer besonderen Erlaubnis des Gouverneurs zulässig. Es ist geschichtsträchtiger Boden, das Cap Canaveral der Nordpolarflüge, so hab ich es mal gelesen.
Von hier aus haben verschiedene Expeditionen versucht, mit Ballonen und Luftschiffen den Nordpol zu erreichen. Aber sie sind alle gescheitert. Es ging mehr um nationales Prestige als um Nutzen, die Männer waren keine Forscher und Entdecker. Der Schwede Salomon August Andrée sollte die norwegische Dominanz der Polarforschung brechen und startete 1897 von hier mit einem Ballon zum Pol. Einige Brieftauben die er in den ersten Tagen losschickte überbrachten Nachrichten, dass alles wohlauf sei.
Danach hat man 33 Jahre nichts mehr von ihnen gehört.
Erst 1930 wurden ihre Überreste auf Kvitoya im Osten des Archipels entdeckt. In einem Grab fand man den Leichnam von Nils Strindberg, er war als erster gestorben, sie hatten ihn noch begraben können. Die wichtigsten Dinge in seinem Leben hatten sie ihm mitgegeben. Eine Locke von Anna Charlier, seiner jungen Verlobten, ein Medaillon mit ihrem Bild und zwei Eintrittskarten einer Ausstellung, die sie gemeinsam vor der Abreise in die Arktis besucht hatten.
Die Nachricht vom Fund der Männer erreichte Anna in Göteborg, sie war gerade auf dem Rückweg zu ihrer Familie in England. 13 Jahre hatte sie auf ihren Verlobten gewartet, hatte nie die Hoffnung aufgegeben. Sie starb 1947. Sie wollte in England begraben werden, so stand es in ihrem Testament. Aber ihr Herz sollte verbrannt werden und die Asche in einer silbernen Dose im Grab der drei Polarforscher Strindberg, Fraenkel und Andrée in Stockholm beigesetzt werden.
Ihr Mann, Gilbert Hawtery erfüllte ihr diesen letzten Wunsch.

Wir hören auch die Geschichte von Walter Wellmann, der von hier aus mit einem Luftschiff den Nordpol erreichen wollte. Im Rennen zum Pol ist auch er gescheitert, erst viele Jahre später waren Amundsen, Nobile und Ellsworth mit dem Luftschiff NORGE erfolgreich.

Es ist beeindruckend, hier zu stehen und nach Norden zu blicken. Wieder einmal kommt das Gefühl, dabei zu sein und die Männer hier zu sehen. Wir haben die alten Fotos vor Augen, die wir heute Morgen gesehen hatten.

Und wir blicken hinüber über die Meerenge, das Danskegattet. Amsterdamoya liegt auf der anderen Seite, nur ein paar hundert Meter entfernt.

Dort lag Smeerenburg, jener Ort, an dem sie Wale zerlegt haben und aus dem Speck Öl für die Beleuchtung der europäischen Städte gewonnen haben. Nur 50 Jahre hat es gedauert, dann haben sie es wieder aufgegeben. Sie hatten die Wale inzwischen fast ausgerottet. 1660 wurde Smeerenburg aufgegeben. Den Besuch dort haben wir uns erspart, es ist kaum etwas zu erkennen von diesem Ort. Schnee und Eis von mehr als 300 Jahren haben den Strand abgeräumt, es sind nur noch Grundrisse zu erkennen.

Das Wetter ist kalt und ungemütlich als sich die NOORDERLICHT auf den Weg nach Sallyhamna macht. Die Trapperhütte dort oben ist in einem guten Zustand und wird heute von Rangern des Sysselmannen benutzt. Sie wird instand gehalten mit Treibholz, so wie es vor etwa 100 Jahren auch gemacht wurde. Reste alter Tranöfen sind von Flechten bewachsen und haben sich in die Landschaft eingepasst. Es braucht ein bisschen Phantasie um sich das Leben und Wirken dieser Trapper vorzustellen.

Ein kleiner Abstecher führt uns zu einem kleinen Gletschersee. Es geht ein bisschen bergauf, nur ein kleiner Aufstieg, aber er führt uns in die Feuchtigkeit tiefhängender Wolken. Für einen kurzen Moment fängt es an zu schneien. Ungemütliches Wetter, ein Ausflug in steinigem und rutschigem Gelände. Natürlich gehört das zu einer Reise nach Spitzbergen dazu, es ist ja auch ein bisschen Abenteuer.

Für uns ist dieser Tag noch nicht beendet, unser nächstes Ziel ist Moffen. Eine Insel wie eine flache Scheibe, mitten in der offenen See. Nur etwas höher als der Wasserspiegel. Es ist eine Schutzzone für Walrosse und während der Sommermonate ist es Sperrzone. Bis auf 300m dürfen wir uns nähern. Mit Erreichen der offenen See hat sich das Wetter gebessert, blauer Himmel, die Sonne verwöhnt uns. Aber auch der Wind hat etwas zugenommen, die Wellen werden höher. Wir sind kurz vor Moffen als die Glocke geschlagen wird, ein Finnwal schwimmt neben uns. Aber er ist viel schneller als wir und schon bald ist er aus unserem Blickfeld verschwunden, während wir Moffen erreichen.

Es sind nur wenige Walrosse zu sehen, und deswegen nehmen wir gleich Kurs auf die Hinlopen Straße. Niemand kann die Eissituation, die uns dort erwartet, einschätzen, wir wissen nicht ob wir durchkommen, da ist es gut wenn wir zeitlich etwas Reserven haben werden. Unsere letzte Eiskarte ist vom Datum der Abfahrt aus Longyearbyen und zeigt eine starke Treibeisdichte. Wir werden noch interessante Abschnitte vor uns haben. Was jetzt kommt ist auch für mich unbekannt und ich freue mich darauf.

Es ist schon wieder weit nach Mitternacht, Zeit ein wenig zu schlafen.

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Samstag 21. Juli 2007

Mein Wecker hat schon längst Alarm geschlagen, die Motoren der NOORDERLICHT laufen immer noch. Die ganze Nacht sind wir unterwegs gewesen auf unserem Weg in die Hinlopen Stretet. Als kurz nach 07:00 Uhr der Anker fällt sind wir bei Kinnvika im Gustav V Land auf Nordaustlandet. Position 80°N 18°E. Am Land sind verschiedene Holzhütten zu erkennen, erbaut 1957/56 als Forschungsstation zum damaligen Polarjahr. In diesem Jahr ist erneut internationales Polarjahr und wir treffen Forscher in dieser Station an. Sie untersuchen dort den Abfluss der Gletscher auf Nordaustlandet. Und natürlich eine Menge anderer Aufgaben sind dort zu bewältigen.

Nordaustlandet ist die zweitgrößte Insel Svalbards und steht vollkommen unter Schutz.

Die klimatischen Bedingungen sind hocharktisch da sich der Golfstrom hier nicht mehr auswirkt. Im Winter ist die Insel vollkommen vom Eis eingeschlossen und auch im Sommer ist eine Passage der Hinlopen Straße nicht immer möglich. Wir haben ein kurzes, interessantes Gespräch mit den Wissenschaftlern bevor wir unseren Weg fortsetzen. Der Boden ist sehr steinig und trotzdem blüht es überall. Besonders viel Svalbard Mohn ist zu sehen, es ist die dominierende Pflanze. In solchen Mengen haben wir diesen kleinen Mohn nirgendwo zu sehen bekommen. Wir wandern entlang des Murchisonfjordes mit vielen Fotostopps, erst an der Mündung des Fjordes nimmt uns das Schiff wieder an Bord.

Es geht nur ein kurzes Stück weiter zur Krossoya, nur loses Gestein, ein kleiner Hügel der sanft zum Ufer ausläuft. Eine Steinwüste, entstanden in langer Zeit.

Weit sichtbar ein altes Holzkreuz der Pomoren, bereits 1898 hat es hier nachweislich gestanden. Pomoren waren russische Siedler an den Küsten des weißen Meeres welches in die Barentssee mündet. Zur Jagd verließen sie ihre Siedlungen und begaben sich in die nördlichen Regionen. Teilweise errichteten sie mehrere Hütten an einem Ort und gingen von dort als Basislager auf die Jagd. Als Siedler kann man sie kaum bezeichnen, da ihre Familien am Weißen Meer zurückblieben und sie auch dorthin nach erfolgreicher Jagd zurückkehrten.
Sie nannten dieses Land Grumant, eine alte verlassene russische Bergbausiedlung auf Svalbard heißt heute noch Grumantbyen. Wahrscheinlich haben sie hier schon gejagt bevor Willem Barents dieses Land entdeckte, es gibt eine alte Inschrift auf einem Stück Holz welches dafür spricht.
Viele dieser Kreuze waren auf Spitzbergen verteilt. Hier wurden die Toten begraben, es diente aber auch als Seezeichen. Nun gibt es nur noch zwei original erhaltene Kreuze hier oben im Norden.

Arctic Terms, Küstenseeschwalben fliegen herum, nahe unseres Anlandeplatzes fliegen sie ein paar Angriffe. Wir sehen zwei Jungvögel und passieren diese Stelle zügig um nicht unnötig zu stören. Während wir zum alten verwitterten Kreuz emporsteigen, sind immer mehr Seeschwalben in der Luft. Wir sehen die alte kyrillische Inschrift, machen ein paar Aufnahmen und dann ziehen wir uns sehr vorsichtig zurück. Fast wären wir auf ein Gelege der Seeschwalben getreten, ein Küken war gerade geschlüpft, in einem zweiten Ei versuchte gerade ein weiteres Küken auf die Welt zu kommen. Sie sind sehr gut getarnt und trotzdem entdecken wir bei unserem vorsichtigen Rückzug immer mehr dieser Küken. In der Nähe des alten Kreuzes fühlen sie sich anscheinend besonders wohl. Und sie vertrauen vollkommen auf die Tarnung im Split, kein einziger Elternvogel hat uns angegriffen.

Wir sehen noch ein Walross in einiger Entfernung schwimmen, dann führt uns unser Weg nach diesem kurzen Ausflug weiter in die Hinlopen Straße. Hier wird das Wasser ganz ruhig, es gibt keine Wellen mehr. Guillemots fliegen in langen Ketten tief über die Wasseroberfläche am Schiff vorbei.

Auf beiden Seiten des Schiffes bedecken große flache Eiskappen das Land. Der Himmel ist Grau, der Gletscher der Valhalfonna ist wie eine riesengroße flache Linse. Wir passieren eine mehrere Kilometer lange Gletscherfront, an einigen Stellen gibt es Abbrüche. Die Wolken hängen oft so tief das wir die Höhenlinie des Gletschers nicht erkennen können. Alles geht ineinander über.
Ein mystischer Ort und der Name lässt erschauern.
Walhall ist der Ruheort der in Schlachten gefallenen tapferen germanischen Krieger. Jedenfalls steht es so in den alten Sagen.

Der Himmel ist Grau, das Licht ist diffus und wird ein bisschen von der ruhigen See gespiegelt. Eine ganz besondere Lichtstimmung umgibt das Schiff. Leichter Wind kommt von vorn, an segeln ist nicht zu denken.

Langsam fahren wir durch diese unwirkliche, stille Welt, je länger wir aber den vorbeifliegenden Guillemots folgen, desto lauter wird es. Wir erreichen das Alkefjellet, ein mächtiger Vogelfelsen, und die dort brütenden Vögel sind weit zu hören. Niemand hat sie gezählt und das wird wohl auch nicht möglich sein. Die Zahlenangaben in den Büchern gehen daher weit auseinander. Aber es sind wohl weit über 100 000 Vögel. Ganz langsam passieren wir diese Kolonie und ohrenbetäubender Lärm der Vögel begleitet uns. Um uns herum fliegen tausende dieser Dickschnabellummen, ein beeindruckendes Erlebnis nach der vorangegangenen Stille.

Bald wird es wieder ruhiger, unser Weg führt weiter nach Süden, wir wollen sehen ob wir durch das Eis kommen. Sonst müssen wir zurück.

Ein Eisbär schwimmt uns direkt vor das Schiff, beinahe hätten wir ihn gerammt.

Erste Eisbrocken kommen uns entgegen.

Morgen werden wir im Eis sein. Der Tag der Entscheidung.

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Sonntag 22. Juli 2007

In der Nacht haben wir an der Wilhelmoya geankert. Als ich am Morgen an Deck stehe ist es 1°C, nass, grau und saukalt. Ungemütliches Wetter und die Nachrichten sind nicht gut. Sie haben noch Verbindung zu anderen Schiffen bekommen, die Durchfahrten zum Storfjord sind durch Eis verschlossen. Der Wind und die Strömung haben das Eis in die Passagen geschoben. Wir kommen nicht durch. Eine Eisbedeckung von 7 - 8/10 ist für uns nicht machbar. Wir sind kein Eisbrecher der einfach durchfahren kann, wir müssen das Eis beiseite schieben. Und bei einer so hohen Eisbedeckung ist kein Platz es woanders hinzuschieben. Wir werden also umkehren müssen und unsere Zeit in anderen Regionen verbringen.
Es gibt noch genügend sehenswerte Plätze die wir uns anschauen können. (Wie wir später erfahren haben hat auch ein russisches Expeditionsschiff die Passage nicht geschafft. Und die sind deutlich stärker als wir.)
Wir wollen die Wilhelmoya umrunden und dann wieder nach Norden in die Hinlopen Straße. Erstes Eis kommt uns entgegen und die NOORDERLICHT bahnt sich ihren Weg durch eine schwimmende Barriere. Wir versuchen einen Weg zu finden, der Kapitän klettert in den Mast und sucht eine Passage durchs Eis. Mit langsamer Kraft stoßen wir Eisschollen an, damit sie in eine andere Richtung treiben. Wir weichen dem Eis aus und finden einen Weg. Es nieselt, ständig habe ich Topfen auf der Brille und den Objektiven der Kamera. Zwischen dem Packeis treiben noch größere Brocken von Gletschereis. Alles ist Weiß und Grau in verschiedenen Helligkeitsstufen, nur manchmal bringt blaues Gletschereis etwas Farbe in diese Eislandschaft. Das Wasser ist spiegelglatt und man spürt die Kälte. Auch der Weg nach Osten ist durch eine große Eisbarriere versperrt. Am Sorporten geraten wir in 5/10 Packeis. Wir bekommen eine Vorstellung was uns bei einer höheren Eisdichte erwarten würde.  Langsam schiebt sich die NOORDERLICHT durch das Eis, eine Bartrobbe gleitet von ihrer Eisscholle als wir zu nahe kommen. Eine andere Robbe taucht gleich wieder ab als sie das rote Schiff zwischen dem Eis entdeckt. Wenn wir mit einer Eisscholle zusammenstoßen gibt es laute Geräusche durch das ganze Schiff. Das Wasser ist eiskalt und klar, bei treibendem Eis sehen wir auch unter Wasser die Strukturen.

Ein Abstecher weiter nach Osten ist uns also auch nicht möglich, uns bleibt nur der Rückweg. Wir passieren die Von Otteroyane und die Wahlbergoya als neben dem Schiff ein Finnwal auftaucht. Kurz darauf sehen wir weitere Wale, ein Stoppmanöver des Schiffes, kleiner Kreis und dann folgen wir ihnen eine Weile. Wir sehen sie rechts und links vom Schiff, direkt neben dem Schiff taucht plötzlich auch ein Finnwal auf. Das ist wirklich nah dran und in dieser Kulisse mit Gletschern im Hintergrund und Treibeis auf dem Wasser ist das sehr beeindruckend.  Bald sind sie zu weit entfernt, auf der Backbordseite taucht der Tommelbreen auf. Ein bisschen Licht scheint über dem Gletscher und lässt die Strukturen des Eises erkennen. Treibendes Eis schwimmt an der Bruchkante und dann tauchen dort wieder Finnwale auf. Sie bewegen sich kaum im Wasser, als wenn sie sich treiben lassen. Es scheint ein Jungtier dabei zu sein. Ein wundervoll friedlicher Anblick vor der Gletscherwand.

Der Regen hat nachgelassen, es ist etwas heller geworden. Wir waren den ganzen Tag auf dem Schiff, wenigstens am Abend wollen wir noch einen Ausflug machen. Unser Schiff passiert das Alkefjellet und wir biegen dann nach Westen in den Lomfjord ein. Wir ankern am Ende des Fjordes, es ist fast 22:00 Uhr als wir an Land gehen. Eine kleine Wanderung, einige Kilometer und natürlich ein bisschen bergauf. Schon auf halber Höhe hat man einen weiten Blick. Hier münden die Gletscher nicht ins Meer. Das Schmelzwasser hat tiefe Täler ausgewaschen und viel Sedimente fortgeschwemmt und in großen Deltas aus feinem Schlamm abgelagert. Eine ganz andere Landschaft als wir sie bisher gewohnt waren. Karg, mit Geröll bedeckt ist es unter unseren Füßen. Etwas Moos, ein paar blühende Blumen. Genug Nahrung für eine kleine Gruppe von Rentieren, die neugierig immer näher kommt. Richtung Norden ist der Blick frei auf einen weiteren Gletscher mit einem großen Delta.

Es ist schon weit nach Mitternacht als wir uns wieder auf dem Schiff befinden. Für die Nacht werden wir hier im Lomfjord ankern. Morgen früh geht es weiter.

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Montag 23. Juli 2007

Es war 0230 Uhr als ich in die Koje gekommen bin und um 0700 Uhr stehe ich schon wieder an Deck. Wir haben den Anker gelichtet und passieren die Valhallfonna auf unserem Weg nach Norden, hinaus aus der Hinlopen Stretet. Bald darauf laufen wir in den Sorgfjord ein, am Nordende der Hinlopen Stretet. Von einem kleinen Hügel blicken wir weit über das Land.
Mehrere Kilometer ist es fast bretteben, fast unbewachsen und nur etwas höher als der Meeresspiegel. Im Hintergrund erheben sich ein paar Berge. Es ist eine eigenartige Landschaft hier im Norden von Ny-Friesland.
Der Sorgfjord ist ein Ort mit viel Geschichte, allerdings ist es nur wenig bekannt.
Unter der Leitung des deutschen Leutnants Herbert Schröder-Stranz gab es 1912 eine Expedition in den hohen Norden. Sie wollten das Land und die Seewege erkunden um Vorbereitungen für die spätere Suche nach einer Nordostpassage zu treffen. Acht Männer starben, viele erlitten schlimme Erfrierungen. Sie konnten in einer dramatischen Rettungsaktion aus dem Eis geholt werden. Die Schröder-Stranz-Expedition war ein Drama und einige Männer sind bis heute verschollen. Man hat nur ein paar Ausrüstungsgegenstände gefunden.
Arved Fuchs folgt gerade jetzt, im Sommer 2007 den Spuren dieser Expedition, vielleicht gelingt es ihm etwas Licht in diese Geschichte zu bringen.

Aus der Zeit des Walfanges stammen die Gräber am Aeolusneset am Nordufer des Sorgfjordes. Vom Holz der Kreuze sind nur noch Reste zu erkennen, sie sind verschwunden. Die Gräber haben keine Namen mehr. Kaum jemand weiß, dass es hier 1693 die nördlichste Seeschlacht aller Zeiten gab, bei der drei französische Kriegsschiffe 40 holländische Walfangschiffe aufbrachten und 13 davon erbeuteten. Eine Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Walfangnationen. Es ging um Tran/Öl für die Städte Europas. Sie brauchten es für ihre Lampen, für Licht in den großen Städten.
Der Sorgfjord ist kein besonders großer Fjord, aber seine nördliche geschützte Lage diente als Ausgangspunkt für viele Expeditionen.
William Edward Parry startete von hier aus 1827 mit mehreren Männern in einem Ruderboot zum Nordpol. Mit Erreichen des Eises wollten sie die Boote wie Schlitten nutzen. Sie dachten auch daran Rentiere mitzunehmen Als sie Eis erreichten stellten sie bald fest, dass es nicht so flach war wie sie geglaubt hatten und das Eis trieb sie wieder nach Süden, daraufhin brachen sie den Versuch ab. Immerhin waren sie aber schon sehr weit in den Norden vorgestoßen.

Am südlichen Fjordufer finden sich die Ruinen und Überreste der Schwedisch-Russischen Gradmessungsexpedition von 1899 bis 1904. Sie haben damals untersucht ob die Erde hier oben genauso rund ist wie am Äquator, oder ob sie am Pol abflacht. Eine spannende und sehr aufwendige Arbeit mit mehreren Messpunkten über viele Kilometer bis zum Südkapp von Svalbard. Nur in Gemeinschaftsarbeit war das zu lösen, der Aufwand war unwahrscheinlich hoch, die Genauigkeit der Messungen wurde mehrfach überprüft. Diese damalige internationale wissenschaftliche Kooperation war beispielgebend und erfolgreich. Sehr gewissenhaft in Vorbereitung und Durchführung gelang ihnen diese Arbeit ohne Verluste.

Im Bereich des Sorgfjordes finden sich weite, flache Küsten mit Wällen zum Strand und dahinter liegenden Wasserflächen. Die Strandabschnitte sind mit einer Unmenge sibirischen Treibholzes bedeckt. Es hat einen weiten Weg hinter sich und war bestimmt ein paar Jahre mit den Strömungen unterwegs.

Wir besuchen die Überreste der Gradmessungsexpedition und finden den ersten Messpunkt auf einem kleinen Hügel mit einem weiten Blick über die Küste.

Wir  reinigen diesen Küstenabschnitt von angeschwemmten Fischnetzen, Nylonschnüren und sonstigem angeschwemmten Plastikmüll. Jede Reisegruppe macht das während eines Landausfluges, es unterstützt die Arbeit des Gouverneurs, es hilft der Umwelt und es beeindruckt, wieviel Müll sich hier in den nördlichsten Regionen unserer Erde ansammelt.

Innerhalb kürzester Zeit haben wir sechs große Säcke voll Müll zusammengetragen, dazu mehrere Fischkisten aus Kunststoff. Wir nehmen den Müll mit an Bord und entsorgen es nach unserer Rückkehr in Longyearbyen.

Es kommt ein bisschen Wind, der Himmel klart auf und mit 6-7 Knoten segeln wir aus der Hinlopen Straße. Wir genießen diesen Abend, aber schon bald müssen wir den Motor wieder starten. Die Segel werden eingeholt, die Maschine bringt uns in den Woodfjord.

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Dienstag 24. Juli 2007

Es ist still, kein Wind, keine Wellen. Die Wolken hängen tief in den Bergen vom Andrée-Land. Wir ankern in der Lagune von Mushamna, eine Ringelrobbe schwimmt seit einiger Zeit ums Schiff und beäugt die NOORDERLICHT. Nach einiger Zeit entfernt sie sich und schwimmt hinaus in den Woodfjord. Hier gibt es keine Wälder, den Namen hat der Woodfjord vom vielen sibirischen Treibholz erhalten welches überall an den Ufern liegt.

Diese Lagune ist sehr geschützt und zum Ende hin auch nicht sehr tief. Am Ufer zieht sich eine weite Tundraebene entlang. In diesem Fjord hat der Hamburger Physiker Hauke Trinks 1999 -2000 an Bord seines eingefrorenen Schiffes überwintert.

Es ist die Woodfjordregion, gegenüber beginnt der Liefdefjord. Hier im nördlichen Teil des Andrée-Landes gibt es ausgedehnte Gebiete flacher Tundra. Wir entdecken viele Pflanzen, Blumen blühen und bringen ein bisschen bunte Farbtupfer in diese karge Landschaft.

Der Himmel ist immer noch grau, aber mir kommt es etwas heller vor. Auf einem Hügel steht ein Kreuz.  Es ist neu errichtet aus etwas altem Treibholz, MAN´S HEAD hat jemand in das Holz geschnitten. das Grab eines Schädels. Vielleicht war es ein Trapper, nicht alle kehrten zurück. Hier war ihr Jagdgebiet, noch heute steht dort eine Hütte die genutzt wird.
Niemand kennt den Namen oder die Nationalität, niemand kennt das Alter, der Frost hat ihn aus der Erde gedrückt. Man hat ihn gefunden und hier erneut zur Ruhe gebettet.
In der Nähe brütet ein Arctic Skua. Sie bevorzugen die offene Tundra, hier können sie den Fuchs schon von weitem kommen sehen und vertreiben. Sie sind am Boden schwer auszumachen, aber im Flug zeigen sie ihre ganze Schönheit. Immerhin sind sie ein paar Angriffe auf uns Eindringlinge geflogen, dabei lässt sich das gut beobachten. Anscheinend entfernen wir uns dabei wohl vom Nest, sonst würden sie wohl noch heftiger attackieren, so lassen sie bald nach. Der Boden hat Feuchtigkeit gesammelt, Schmelzwasser von den Bergen. Genug Feuchtigkeit für Alpensäuerling und Schneehahnenfuß. Der Alpensäuerling hat einen sehr hohen Vitamin C Anteil und stand schon bei den Walfänger auf dem Speisezettel. Ist aber auch bei Rentieren hoch begehrt. Der Hahnenfuß wird von ihnen aber verschmäht. Er ist recht selten hier zu finden und die Pflanzen sind auch nur wenige Zentimeter hoch. Wir können einige schöne Gruppen davon entdecken. Ein bisschen Farbe in der eher monotonen Tundra.

Wir hören Hundegebell, und erblicken bald darauf eine große Hütte. Jedes Jahr wird sie durch den Gouverneur für ein Jahr vergeben an Menschen die hier überwintern wollen, aus welchen Gründen auch immer. Es ist von jeher Jagdgebiet für Trapper, es sind Einzelgänger, sie suchen die Einsamkeit und sind weder gesprächig noch gesellig. Bald kommt uns ein junger Mann entgegen, dem deutlich anzusehen ist, dass wir nicht willkommen sind. Etwas mürrisch weist er uns auf brütende Vögel hin und verschwindet wieder zu seiner Hütte.

Von dort beobachtet er uns noch eine Weile während wir zu unserem Schiff zurückgehen. Der Sand in der Uferzone ist grobkörnig und schwarz. Der Trapper hat sich dort schon Treibholz für den Winter in vielen Pyramiden zusammengestellt. Liegendes Holz wird er nicht mehr finden wenn der Schnee alles bedeckt.

Mittags verlassen wir die geschützte Bucht von Mushamna, fahren den Woodfjord hinaus.

Grahuken, an der Spitze des Andrée-Landes ist unser Ziel. Ein gottverlassener Flecken Erde der durch Christiane Ritter bekannt geworden ist. Gemeinsam mit ihrem Mann und einem befreundeten Trapper hat sie dort 1934/35 überwintert. Sie hat Stürmen, Kälte und Dunkelheit getrotzt, hat gelernt Robbenfleisch zuzubereiten und allein in der Polarnacht auf die Rückkehr der Männer zu warten. Ihre Erlebnisse hat sie in dem Buch „Eine Frau erlebt die Polarnacht“ niedergeschrieben. Ein Klassiker der arktischen Literatur. Als wir näher kommen entdecken wir in der Nähe eine Gruppe von Wissenschaftlern und Studenten. Sie werden gerade abgeholt und nach Kinnvika gebracht, als wir anlanden. Im Polarjahr 2007 führen sie einige Untersuchungen in den nördlichen Regionen durch. Mit einem der Studenten führen wir ein kurzes Gespräch, dann gehen wir am Ufer entlang zur Hütte von Grahuken.

Es hängen noch die alten Bilder an der Wand, auch die Einrichtung hat sich wenig verändert. Der Ofen ist vorbereitet für ein Feuer, so ist es üblich in der arktischen Wildnis. Es ist angebaut worden, die Hütte ist wohl doppelt so groß geworden. Ein Windfang und ein Nebenraum wurden ergänzt. Eine Saunahütte befindet sich in der Nähe.

Die Gegend ist einsam, vollkommen frei im Wind steht die Hütte. Egal aus welcher Richtung der Wind kommen wird, hier an der Nordspitze vom Andrée-Land ist die Hütte ungeschützt.

Wie mag es wohl im Winter dort sein, wenn die Kälte kommt, die arktische Polarnacht alles mit Dunkelheit umgibt. Wenn der Wind um die Hütte pfeift und sich das Packeis wenige Meter vor der Haustür stapelt. Eisbären vor der Tür und keine Möglichkeit diese Gegend zu verlassen. Christiane Ritter hat es erlebt und niedergeschrieben.

Wir verlassen den Woodfjorden, schauen noch mal zurück nach Grahuken. Manch einer schüttelt dabei ungläubig mit dem Kopf. Dann geht es für uns weiter nach Westen. Der Wind ist günstig, die Sonne kommt durch und so segeln wir eine zeitlang. Nebel kommt auf, keine Sicht mehr auf die Berge der Nordküste. Der Wind lässt nach, mit Motorkraft passieren wir Fair Haven und fahren in den Smeerenburgfjord. Bei dieser schlechten Sicht wollen wir noch etwas weiter fahren.

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Mittwoch 25. Juli 2007

Spiegelglatt ist das Wasser im Fjord, Eisbrocken vom Gletscher treiben uns entgegen. Das Wasser hat eine türkisblaue Farbe. Der Himmel zeigt viel freundliches Blau als ich früh am Morgen auf dem Deck stehe.

Lange waren wir in der Nacht durch den Nebel gefahren, erst im Smeerenburgfjord zeigte sich wieder etwas Licht und gab den Blick auf die Gletscher frei. Es war schon weit nach Mitternacht als uns Arved Fuchs mit seinem Schiff, der DAGMAR AAEN begegnete. Mit diesem kleinen Schiff ist er durch die Nord-West-Passage gefahren. Unglaublich. Es ist wirklich kein großes Schiff.

Plötzlich wurde ein Eisbär gemeldet. Es war schon nach 01:00 Uhr als die Glocke ging. Weit entfernt sollte er sein und alle Augen suchten die Küstenlinie ab. Er war nicht mehr zu sehen. Immer mehr Leute versammelten sich an Deck. Im Schlafanzug sind sie hochgekommen, sie waren schon lange in der Koje gewesen. Ein Eisbär mobilisiert sie alle. Aber er blieb verschwunden, viele Augen suchten vergeblich. Spott machte sich breit und es wurde schon von einer Fata Morgana gesprochen. Aber plötzlich war er wieder zu sehen und das Jagdfieber erwachte erneut. Der Kapitän stand selbst am Ruder und lenkte das Boot näher an das Ufer heran. Ein wohlgenährter Bär, der sich mit Leichtigkeit und Geschmeidigkeit über die felsige Landschaft zum Knattodden bewegte. Als er einen kleinen Abhang hinaufstieg, sahen wir dort einen Blue Fox stehen. Den witterte auch der Bär und wir konnten erleben wie schnell ein Eisbär beschleunigen kann. Er wollte den Fuchs jagen, aber natürlich war er chancenlos. Schnell erlahmte sein Jagdtrieb. Er schaute dem Fuchs kurz nach und trottete bald weiter in den Magdalenenfjord. Uns war es kalt geworden, inzwischen war es fast 03:00 Uhr und es wurde Zeit für ein bisschen Schlaf während die NOORDERLICHT weiter gen Süden fuhr.

Und nun stehe ich wieder auf dem Deck, die NOORDERLICHT ist immer noch unterwegs. Viel freundlicher ist das Wetter geworden. Guillemots sind schon mit ihrem Nachwuchs im Wasser unterwegs, der Lummensprung hat also schon begonnen. Wir sind inzwischen in den Krossfjorden eingelaufen und bald fällt auch der Anker. Vor uns der 14.-Juli-Gletscher. Robben treiben auf großen Eisstücken neben dem Schiff, es ist windstill und manchmal hören wir in der Ferne ein Donnergrollen wenn im Gletscher wieder etwas zusammenbricht. Bald sind alle auf dem Deck um die Sonne zu genießen und diesen arktischen Morgen vor diesem Panorama zu erleben. Lange genug hatten wir grauen Himmel gehabt. Nach dem Frühstück geht es am Strand entlang zum Gletscher. Ein schöner Spaziergang bei herrlichem Wetter. Eine andere Gruppe will einen Berg besteigen, aber bei der arktischen Hitze von etwa 10°C komme ich schon am Gletscher ins Schwitzen. Deswegen schleppe ich meinen Fotorucksack lieber am Strand entlang. Ein Arctic Skua versucht uns von seinem Küken wegzulocken. Er zeigt schöne Flugmanöver vor der Kulisse der Berge, des Gletschers und des treibenden Eises im türkisblauen Wasser.

Nach Rückkehr zum Schiff ist dort bereits ein Lunch-Buffet auf dem Deck aufgebaut. Suppe, Reis, Salat, frischgebackene Brötchen, Schinken, Käse und Tomatenplatte. Alle sitzen in der Sonne und genießen diese Mahlzeit an der frischen Luft in der Weite des Fjordes. Dabei beobachten wir die neben dem Schiff treibenden Robben. Eigentlich könnten wir hier noch ein bisschen bleiben, aber wir lichten den Anker und überqueren den Krossfjord. Vor uns der Lillehööbreen. Er ist noch weit entfernt und erst nach einiger Zeit entdecken wir dort die MAXIM GORKI. Während sie wieder den Fjord verlässt, vernebelt sie mit ihrer Rauchfahne den Blick auf den Gletscher. Kein Wind vertreibt diese Abgasfahne. In dieser hochsensiblen Region sollte man vielleicht auch mal über Abgasnormen nachdenken. Auch die OOSTERSCHELDE kommt uns entgegen und die NORDSTJERNEN passiert gerade einen Vogelfelsen. Dorthin führt auch unser Weg, aber viele Vögel sind dort nicht zu sehen. Wir verlassen den Krossfjord, passieren die Einfahrt zum Kongsfjord und sehen aus der Ferne die Gipfelgruppe der Tre Kroner und den Kongsvegen. Ich erkenne Ny-Alesund in der Ferne. Vor uns liegt die Einfahrt in den Forlandsundet. Schneebedeckte Berge des Prins-Karl-Forlandet begrenzen den Blick nach Westen, darüber strahlender Sonnenschein. Fast keine Wellenbewegungen auf dem Wasser und einige Mitreisende dösen in der Sonne. Die NOORDERLICHT fährt Richtung Süden. Wir ankern am Waldemarbreen, bei der polnischen Forschungsstation Kaffioyra. Geplant ist nur ein kurzer Landgang zur Forschungsstation. Ich bleibe auf dem Schiff, es ist gerade bestes Fotolicht und ich will ein paar Aufnahmen vom treibenden Eis machen. Auf einigen Eisschollen treiben Bearded Seals – Bartrobben – und der Gletscher im Hintergrund ist in gutem Licht.

Einige der Wissenschaftler kommen kurz an Bord und ich habe plötzlich eine nette Gesprächsrunde mit polnischen Glaciologen und Geologen bei Kaffee und Kuchen. Sie untersuchen dort schon seit etlichen Jahre die Gletscher, dafür sind sie täglich 20 – 40 km unterwegs. Einer der untersuchten Gletscher ist im vergangenen Jahr 150m zurückgegangen. Das hört sich nicht sehr erfreulich an. Bereits seinen 18. Aufenthalt in dieser Forschungsstation hat Professor Marek Grzes´, der sich sehr über diesen Besuch gefreut hat. Er  konnte sich daran erinnern dass die NOORDERLICHT bereits vor zehn Jahren einmal bei der Forschungsstation gewesen war. Damals war wohl eine blonde Frau als 1st Maate auf dem Schiff. Erstaunlich woran man sich in der Arktis erinnert.

Sie erweitern gerade ihre Forschungsstation und die acht Bewohner haben viel zu tun. Wir verabschieden uns herzlich und lichten bald darauf den Anker. Niemand ist müde, die Sonne hat wohl die Lebensgeister geweckt. Es gab eine Menge zu sehen an diesem hellen Tag. Und nun folgt noch ein netter Abend mit Beerenburg Kräuterschnaps und netten Gesprächen.

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Donnerstag 26. Juli 2007

 Wir liegen in Barentsburg am Kai, heute Nacht hat uns keine rasselnde Ankerkette geweckt. Morgens stehen wir am Hafen und blicken zur Stadt. Grau, etwas trostlos und ganz anders als die Natur der vergangenen Tage. Unbelievable – das ist alles was Jim sagt, als er von einem kurzen Morgenlauf zurückkommt. Dabei hatte sich eine Menge getan. Es sieht sehr aufgeräumt aus und es wird an vielen Stellen gearbeitet. Die Stadt scheint ein bisschen zu leben, ganz anders als ich es im vorigen Jahr erlebt hatte. Der defekte LKW der im vergangenen Jahr noch herumstand, ist wohl entsorgt worden. Ältere Einwohner erwidern unsere Grüße und alles sieht viel freundlicher aus. Es ist nur ein kurzer Besuch in dieser russischen Bergarbeitersiedlung im arktischen Norden, der auch nur einen kurzen Einblick gibt. Ich habe in dieser kurzen Zeit den Eindruck gewonnen, als wenn es Fortschritt gibt. Sie sind erwacht und packen es an, das freut mich für die Bewohner und macht etwas Mut für die Zukunft dieses Ortes den wir mittags schon wieder verlassen. Unser Weg geht hinaus aus den Isfjord und wir wollen etwas weiter nach Süden. Der Himmel wird wieder etwas heller, in Barentsburg war er genauso grau wie der Ort. Wir sind bald auf der Höhe von Isfjord Radio am Eingang des Isfjordes als ein Wal gesichtet wird. Nach dem etwas deprimierenden Barentsburgbesuch ist das genau richtig um uns in die Schönheit der arktischen Welt zurückzuholen. Natürlich ist er erstmal wieder abgetaucht und alle Augen suchen den Horizont ab. Gespanntes Warten bis der erlösende Ruf kommt: - whale in 3 o`clock position. In 150 – 200m Entfernung sehen wir ihn schwimmen und sehen sein Blas. Dann taucht er ab und wir sehen seine Fluke schön im Licht. Wieder gespanntes Warten, wir schauen die ersten Bilder auf den Display der Kameras. Gerade als wir schon denken das er verschwunden ist, taucht er wieder auf. Direkt neben dem Schiff, er muss unter uns durch geschwommen sein. Herrlich ist es ihm zuzusehen wie er in unserer Nähe wieder abtaucht. Kurz darauf ist er wieder an der Oberfläche und nun beginnt seine Show. Er rollt vor uns im Wasser und schlägt mit der Fluke mehrfach auf das Wasser. Er wiederholt das eine Zeitlang und es ist ein einmaliger Anblick ihn so entspannt und friedlich vor diesem Panorama zu erleben. Es ist ein Humpbackwhale – ein Buckelwal und das macht es zu etwas ganz Besonderem. den ein Humpbackwhale wurde von der NOORDERLICHT in den vergangenen 14 Jahren erst einmal gesichtet. Wir können ihm eine Zeitlang zuschauen, dann zieht er weiter auf seinem Weg. Für einen Moment haben sich unsere Wege gekreuzt und wir konnten dieses friedliche, ausgelassene etwa 15m lange Tier in seinem Element erleben.

Unser Weg geht jetzt weiter nach Süden, im weiten Bogen umfahren wir das Nordenskjöld-Land und passieren Bellsund Fyr. Wir ankern in der Van-Muydenbukta mit einem schönen Blick auf Ingeborgfjellet. Die Gruppe macht noch eine längere Wanderung zum Fuße eines Vogelfelsens, ich schone meine Knie und lese ein wenig in der Arktis Literatur der Bordbibliothek, aber bald bin ich wieder mit der Kamera auf dem Deck. Das Licht verzaubert die Landschaft und es gibt schöne Spiegelungen auf dem Wasser.

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Freitag 27. Juli 2007

Ich will nur mal schnell auf Deck, nur mal schauen wie das Wetter ist. Und schon pfeift mir eiskalter, ungemütlicher Wind durch die Jacke. Heute müssen wir uns warm anziehen, der Wind macht es ungemütlich. Wir suchen die schmale Passage des Akselsundet, passieren Backbord den Fridjofbreen und auf der Steuerbordseite die Akseloya. Ihr hartes Gestein sperrt den großen Von-Mijenfjord ab und schützt ihn. Es soll ruhig sein im Fjord aber anscheinend weiß der Fjord nichts davon. Es wir unruhig, scheint ein falscher Tag zu sein. Wir ankern am Ostufer der Akseloya, das Ausbooten erfordert in diesem unruhigen Wasser etwas Geschick. Weiche Tundraflächen  erwarten uns auf der Ostseite. Brutplatz für Enten und Gänse. Viele Blumen waren noch nicht erblüht, erst am felsigen Westufer wurde es etwas farbenprächtiger. Das harte Gestein der Westküste hat bisher den Kräften der Natur widerstanden und bietet Schutz. Senkrechte Schichten Gestein setzen sich im Festland nördlich und südlich der Akseloya fort. Wir entdecken einige Fossilien und hören ein paar Vorträge die ich aber nicht verstehe. Geologie ist für mich schon in deutscher Sprache nicht einfach, auf Englisch verstehe ich noch weniger. Viel interessanter ist für mich das verlassene, mit Daunen gepolsterte Nest einer Eiderente im Fels. Dieser Eiderdaunen wird noch heute von Trappern gesammelt, innerhalb kurzer Zeit können sie damit ein kleines Vermögen verdienen. Uns pfeift der Wind wieder mal um die Ohren als wir einen Moment die Stille der arktischen Landschaft genießen. Ein weiter Blick über den Horizont, gesäumt von Gletschern und Bergen. Ein paar Vögel durchbrechen diese Ruhe indem sie durch das Bild fliegen. In weiter Ferne hören wir den Gesang der Schneeammer, der einzige Singvogel den es hier oben gibt. Blaue, kalte Weite, helles Licht und Kälte die zu spüren ist. Auf unserem Rückweg schrecken wir Phalaropes auf, ein Purple Sandpiper begleitet uns und Great Skuas attackieren uns. In dieser feuchten Gegend finden sich auch Pilze, für Fotos bleibt aber nur wenig Zeit. Wir wollen weiter und fahren entlang der Akseloya bis zum Südufer. Wir sehen die Hütte eines Daunensammlers. Dort wäscht er die Daunen und verbessert die Qualität. Dadurch lässt sich wohl auch ein besserer Preis erzielen. Es wird sehr eng als wir am Südende der Akseloya bei Mariaholmen wieder in den Bellsund einlaufen. Für größere Schiffe ist diese Passage nicht möglich. Vorbei am Midterhuken erreichen wir den Ahlstrandodden. Ein gestrandeter Beluga liegt schon seit letztem Sommer dort am Strand. Eine unförmige Masse, die ich nicht mehr als Beluga erkannt hätte. Es ist Vorratskammer für Möwen. Wir entdecken Elfenbeinmöwen und Eismöwen. Das ist natürlich ein Leckerbissen für Fotografen. Elfenbeinmöwen sind hocharktische Vögel die sich eigentlich nur im Bereich des Packeises  aufhalten. Wir haben nicht mehr damit gerechnet sie vor die Objektive zu bekommen. Uns gelingen ein paar schöne Aufnahmen diese seltenen Vögel, bevor wir zu unserem eigentlichen Ziel, dem Kvitfiskstranda (Weißfischstrand) wandern. Eine Hütte aus der Zeit des norwegischen Walfanges von 1930 steht dort noch. Heute hat sie den Namen Bamsebu. Am Strand liegen Berge von ausgebleichten Knochen einer erfolgreichen Fangsaison der Belugajagd. Ein paar alte, verrottete Ruderboote sind stumme Zeugen aus jenen Tagen. Belugas sind seitdem nur noch selten hier anzutreffen.

In den Ebenen der Tundra blüht es kräftig, wir entdecken das Moossteinbrech in beeindruckender Größe. Es war nur ein kleiner aber sehr erfolgreicher Ausflug.

Der Wind steht günstig, wir setzen ein paar Segel. Es sind nur ein paar Meilen bis zum Recherchefjord. Dort ankern wir für die Nacht.

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Samstag 28. Juli 2007

Der Recherchefjord ist klein, leicht hügelige Tundra ist zu erkennen, ein paar kleinere Gletscher im Westen und zum Norden geht der Blick in den Bellsund. Wir machen uns ein Lunchpaket, es ist ein Tagesprogramm vorgesehen. Zuerst wandern wir zum Recherchebreen, feuchte, vollgesogene Tundra mit steinigen Flächen und grünbraunen Moosinseln dazwischen. Der Gletscher mündet schon lange nicht mehr in den Fjord. Ein breiter Gürtel mit Geröll und ausgewaschenen Wasserläufen liegt vor uns. Vor dem Gletscher gibt es eine Lagune, Eisstücke treiben im milchigen, türkisgrünen Wasser. Wir sitzen ein paar Minuten still davor und beobachten die eindrucksvolle Szene. Während des Rückweges entdecke ich verschiedene Pilze in der feuchten Tundra. Die Gelbe Lohblüte ist oft zu sehen und auch ein paar bovistähnliche kleine Exemplare. Andere scheinen mit Pfifferlingen verwandt zu sein. In der Nachbarschaft blühende Bäume. Aber Polarweiden werden ja nicht groß, die Pilze sind hier größer als die Bäume. Eine kurze Rast am Strand, eine Tasse Brühe, unser Lunchpaket und ein Schokoriegel und dann brechen wir wieder auf in Richtung Chamberlindalen. Ein Weg über feuchtes Moos, Frostaufbrüche, kleine fließende Bäche und Schwemmsandflächen. Mit einiger Mühe haben wir zwei Mitglieder unserer Gruppe aus diesen Flächen befreien können ohne dabei die Stiefel zu verlieren. Ein falscher Schritt und man sitzt fest. Wir sind in einem alten Gletscherdelta und der abgelagerte Sand und die kleinen und großen Steine werden immer weiter ausgefiltert. Hier im Chamberlindalen, einem neun Kilometer langen Tal im Wedel-Jarlsberg-Land sind wir unterwegs auf der Suche nach einem Pingo.

Ein Pingo setzt Permafrost voraus. Schmelzwasser der Gletscher und Berge fließt unter den Permafrost. Dieses Grundwasser sammelt sich unter dem Permafrost, es entsteht Druck und das Grundwasser sucht sich eine Schwachstelle. Da das zufließende Grundwasser wärmer ist als der Permafrost, kann es diesen schwächen und sich der Oberfläche nähern. In geringer Tiefe wird es aber meistens wieder gefrieren und es entsteht ein Eiskörper. Da Grundwasser weiterhin hochströmt, wächst diese Eislinse ständig an. Schließlich wölbt sich der Boden auf und es entsteht ein Pingo. Meistens entstehen sie in großen Tälern, es gibt einige dieser Phänomene auf Spitzbergen. Sie erreichen Durchmesser von mehreren hundert Metern und bestehen überwiegend aus blankem Eis, nur bedeckt durch eine dünne Erdschicht. Hier im Chamberlindalen ist dieses Phänomen sehr deutlich sichtbar und schon bald stehen wir oben auf dem Pingo.

Zurück zum Strand gehen wir durch das Tal, gesäumt von Tundra und Gletschern, eine ungewöhnliche Kombination. Immerhin gibt es in der Tundra satte feuchte Wiesen mit kräftiger grüner Vegetation. Sieht nicht nach karger, arktischer Wüste aus. Der Boden ist schwer und es dauert eine Weile bis wir wieder am Strand stehen. Als wir wieder auf dem Schiff sind, macht sich Müdigkeit breit. Ist nicht mehr viel los mit der Gruppe. Soviel frische Luft auf einmal war wohl etwas viel. Zwar studieren sie noch einige Bücher oder spielen Karten, aber nach dem Abendessen wird unsere Gruppe schnell kleiner.

Ich sitze bald allein im Salon, es ist gerade 23:00 Uhr. Alles schläft schon. Die zurückliegenden Tage waren anstrengend, aber wir haben auch viel erlebt. Jetzt lässt die Anspannung nach, unsere Reise geht langsam dem Ende entgegen. Es kommen noch ein paar ruhigere Tage, die wir wohl im Isfjord verbringen werden.

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Sonntag 29. Juli 2007

Ablandiger Wind, wir segeln aus dem Bellsund. Der Wind ist kräftig und wir setzen nur wenig Segel. Die NOORDERLICHT liegt etwas schräg im Wind und anfangs machen wir gute Fahrt. Nun geht es wirklich dem Ende der Reise entgegen. Nach 23 Ankerplätzen und noch mehr Landausflügen ist wohl etwas die Luft raus. Fast alle genießen den ruhigen Tag an Bord. Erst am Abend erreichen wir die Ymerbukta am Esmarkbreen, dort ist noch ein Landgang geplant. Etwas lustlos wandern wir  durch die Endmoränen des Gletschers. Es soll Ammoniten und andere Versteinerungen direkt am Gletscher geben. Ein Spaziergang durch eine Mondlandschaft. Frische Spuren vom Eisbären entdecken wir in der Matsche, vom Gletscher hören wir laute, grollende Geräusche vom zusammenbrechenden Eis. Ein paar versteinerte Abbildungen lassen sich tatsächlich finden, Begeisterung kommt darüber nicht richtig auf. Es ist Mitternacht als wir zurück sind, und nach einem kleinen Gute-Nacht-Trunk gehen wir bald schlafen. Die Tour nähert sich dem Ende, einen Ausflug soll es noch geben, dann fahren wir zurück nach Longyearbyen.

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Montag 30. Juli 2007

Die NOORDERLICHT verlegt an das Ostufer der Ymerbukta. Ein letzter Landgang in der arktischen Wildnis. Wir nehmen die Schwimmwesten wie wir es in den letzten Tagen oft getan haben, steigen in das Zodiac und kurze Zeit später sind wir am Ufer. Nur ein kurzer Weg, unterwegs sehen wir ein paar Bartrobben auf treibendem Eis, dann stehen wir auf dem Eis des Gletschers. Entfernt hören wir Eis brechen, wie kleine Explosionen, die lange nachklingen.  Zum Abschluß unserer Expedition ein Moment der Stille. Jeder kann für sich noch einmal diese arktische Stille und die Landschaft genießen und sich von der Arktis verabschieden, dann müssen wir zurück. Wir sehen noch die LANGOYSUND, das Schiff, mit welchem Björn Klauer sich und seine Expedition mitsamt Schlittenhunden zur Eiskante fahren lassen hat.

Es geht jetzt zurück, wir queren den Isfjord, in wenigen Stunden werden wir wieder in Longyearbyen sein. Zurück in der Zivilisation mit Fußgängerzone und Supermarkt.

Unsere schöne Reise geht zuende, wir haben viel erlebt und gesehen, auch wenn wir das Archipel nicht umrunden konnten. Wir haben immer ein Auge für die vielen unbekannten und unscheinbaren Dinge gehabt, die es hier zu sehen gibt und wir haben viel gelernt. Noch sind über 50% von Svalbard vom Schnee bedeckt, aber es sieht bedrohlich aus für diese empfindliche Welt hoch oben im Norden.

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Es freut mich wenn Du den Bericht bis zum Ende gelesen hast.

Dann hat sich meine Mühe ein bißchen gelohnt und die Arbeit war nicht ganz umsonst.

Wenn Du noch mehr Bilder sehen willst, dann folge dem Link.

Mehr Fotos gibt es hier.

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